Der Johannes-Prolog – Teil 1

Der Johannes-Prolog ist Bestandteil vieler Debatten – vor allem dann, wenn es um das Wesen Jesu geht und die Frage, ob er Gott (JHWH) ist.

Für viele Trinitarier ist dabei völlig klar:
Jesus ist das Wort,
das Wort ist Gott,
also ist Jesus Gott.

Doch so einfach ist das nicht, auch wenn sich das Trinitarier und „Oneness“-Gläubige wünschen. Es gibt einiges zum Johannes-Prolog zu sagen, und das fängt schon im ersten Vers an.

Nach traditioneller Lesart wird Johannes 1, 1 wie folgt übersetzt:

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.

Griechisch: εν αρχη ην ο λογοσ και ο λογοσ ην προσ τον θεον και θεοσ ην ο λογοσ
(en archē ēn ho Logos kai ho Logos ēn pros ton Theon kai Theos ēn ho Logos)

Das Problem dabei: wenn vom allmächtigen Gott (JHWH) die Rede ist, wird der griechische Begriff „Theos“ (Gott) von einem bestimmten Artikel begleitet. Das ist in Vers 1 der Fall, als der Begriff „Gott“ zum ersten Mal erwähnt wird: „ton Theon“, wobei „ton“ der männliche (Singular-) Artikel im Akkusativ ist und „Theon“ die im Akkusativ verwendete Form von „Theos“ ist.

Als der Begriff „Theos“ (Gott) im Zusammenhang mit dem „logos“ (Wort) erwähnt wird, fehlt der Artikel. Deshalb muss dieser Vers anders übersetzt werden, auch wenn manche Trinitarier beispielsweise behaupten, dass „Theos“ auf Grund einer bestimmten Regel den Artikel von einem vorherigen Substantiv übernehme. Das stimmt aber nicht. Es gibt auch andere Stellen, in denen „Theos“ ohne Artikel steht und auch dort ist nicht der allmächtige Gott (JHWH) direkt gemeint.

Eine Bibelübersetzung, welche die oben erwähnten Fakten würdigt und eine andere Übersetzung wählt, ist die „Zürcher Bibel“. Dort steht:

Im Anfang war das Wort, der Logos, und der Logos war bei Gott, und von Gottes Wesen war der Logos.

Zum Begriff „Logos“ steht dort folgende Fußnote:

Für die Wendung „das Wort, der Logos“ steht im griechischen Text nur der Begriff ‚logos‘. Die Übersetzung gibt den griechischen Begriff doppelt wieder, um anzudeuten, dass dieser zwar ‚Wort‘ heissen, aber auch eine umfassende, bis ins Kosmologische reichende Bedeutung annehmen kann.
(Die Zürcher Bibel (Ausgabe 2007), Theologischer Verlag Zürich)

Die Menge-Bibel unterscheidet sich auch von anderen Übersetzungen, indem sie Vers 1 wie folgt wiedergibt:

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott (= göttlichen Wesens) war das Wort.

Die Neue-Welt-Übersetzung (NWÜ) der Zeugen Jehovas übersetzt:

Im Anfang war das WORT, und das WORT war bei GOTT, und das WORT war ein Gott.

Man kann zu den Zeugen Jehovas stehen wie man will. Aber sie liegen richtig damit, dass dieser Vers anders übersetzt werden muss, als dies die gängigen Übersetzungen tun.

In der Fußnote der NWÜ steht:

„Ein Gott“. Gr.: thẹos, im Gegensatz zu ton theon (wtl.: „den Gott“) im selben Satz; (hebr.): weʼlohim, „und ein Gott [war das Wort]“.

Die Übersetzung der Zeugen Jehovas ist jedoch umstritten.

Fest steht aber, dass die gängigen Übersetzungen noch weiter von einer wahrhaftigen Übersetzung entfernt sind. Leider lassen die meisten Übersetzungen Hinweise auf den fehlenden Artikel vermissen.

Karl-Heinz Ohlig schreibt in Bezug auf die „Anfänge einer hellenistischen Christologie“:

Gott wird zweifach strukturiert: Es gibt den Gott schlechthin, den Vater, aber auch Jesus ist „Gott“ – wobei z.B. in den Paulusbriefen oder im Johannesprolog der Erstere „ho theos“, der Gott, Jesus aber „theos“ (ohne bestimmten Artikel) im prädikativen Sinne von „göttlich“ ist.

(K.-H. Ohlig: „Haben wir drei Götter? – Vom Vater Jesu zum »Mysterium« der Dreifaltigkeit; topos; S. 45.)

Somit bleibt festzuhalten, dass wir in Vers 1 in den gängigen Übersetzungen bereits eine fehlerhafte Übersetzung haben, die das trinitarische Verständnis suggeriert.

Jesus selbst hat an keiner Stelle gelehrt, dass Gott mehrere Persönlichkeiten hat oder aus mehreren Personen besteht. Doch genau das lehren Trinitarier aber, indem sie von mehreren Gott-Personen sprechen.

Zu Johannes 1, 1-2

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. (LUT2017)

schreibt Stephan Gerber:

Wenn Trinitarier diese Verse zitieren, so wird dabei „Wort“ und „Jesus“ bzw. „der Sohn Gottes“ gleichgesetzt. Folgt man nun dieser Logik, so lauten diese beiden Verse wahlweise:

– Am Anfang war Jesus, und Jesus war bei Gott, und Jesus war Gott. Dieser (Jesus-Gott) war am Anfang bei Gott.

oder eben:

– Am Anfang war der Sohn Gottes, und der Sohn Gottes war bei Gott, und der Sohn Gottes war Gott. Dieser (der Sohn Gottes = Gott) war am Anfang bei Gott.

Hoppla, das sind aber zwei Götter: Jesus, der Sohn Gottes, der nach trinitarischem Verständnis auf Biegen und Brechen Gott sein muss, und dann eben der Gott, bei dem Jesus am Anfang war. Zwei. Dem stimmt natürlich kein echter Trinitarier zu und schnell wird von einem Geheimnis gesprochen, um den Unsinn der eigenen Behauptungen zu verdecken. Der Vers 2 wird dabei auch gerne weggelassen, weil er zu deutlich von zwei spricht, schließlich kann einer schwerlich „bei sich selbst“ sein.

(Stephan Gerber: „Joh 1, 1 Am Anfang war das Wort“; URL: http://trinitaet.com/kommentare/81-joh11)

Und das ist genau DAS Problem mit der Trinitätslehre. Trinitarier lehren eigentlich mehrere Götter, versuchen das aber zu kaschieren, indem sie von einem „Mysterium“ beziehungsweise einem „Geheimnis“ oder „drei Personen in einem Wesen“ sprechen.

Die Debatte benötigt eindeutig mehr Aufrichtigkeit, insbesondere von Seiten der trinitarischen Vertreter. Wenn zwei Personen „Gott (JHWH)“ sind, dann sind es auch zwei Götter und zwei Jahwes.

Wir müssen die Fakten beim Namen nennen, und dazu gehört einfach der fehlende Artikel in Vers 1 des Johannes-Prologs.

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