Johannes 20,28

Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott.

Neben Hebräer 1 Vers 8 und 1. Johannes 5 Vers 20 ist Johannes 20 Vers 28 wohl die am meisten zitierte Bibelstelle, um Jesus als „Gott selbst“ zu definieren. Aber genauso wie bei den anderen Schriftstellen gibt es auch hier Probleme mit der trinitarischen Position.

Der Vers alleine klingt in der Tat nach einem Beweis dafür, dass Thomas Jesus als „Gott“ bezeichnet. Jedoch muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass Thomas mit diesem Zeugnis ziemlich alleine da stehen würde, wenn er das so gemeint hat, wie Trinitarier es deuten. Denn für die Apostel war Jesus ansonsten in erster Linie ein Mensch, der in einzigartiger Weise von Gott gebraucht wurde. Betrachten wir beispielsweise die Apostelgeschichte, dann erkennen wir, dass keine Rede vom „dreieinigen Gott“ oder dem „Gott Jesus“ die Rede ist. Vielmehr sitzt Jesus selbst „zur Rechten Gottes“ – und nicht „zur Rechten des Vaters“, wie es gemäß trinitarischer Lehre korrekt heißen müsste.

Der Kontext von Johannes 20 spricht auch nicht von einem „dreieinigen Gott“, nicht einmal im Ansatz. Vielmehr spricht Jesus selbst von „meinem Vater“ und „meinem Gott“, der genauso der Vater und Gott seiner Nachfolger ist, zu dem Jesus auffahren wird. Im Gespräch mit Maria sagt er das.

Jesus spricht zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und zu meinem Gott und eurem Gott! (Vers 17)

Thomas selbst, das vergessen Trinitarier leider oft zu erwähnen, glaubt da noch nicht, dass Jesus auferstanden ist. Erst nach seiner persönlichen Begegnung mit Jesus glaubt er das. So sind auch die Worte Jesu zu verstehen, als er zu Thomas sagt:

Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig sind, die nicht gesehen und doch geglaubt haben! (Vers 29)

Jesus bestätigt hier nicht, dass er sich als zweite Person der Gottheit oder Ähnliches betrachtet. Er spricht von dem Glauben daran, dass er von den Toten auferstanden ist. Dieses Thema war oft Bestandteil der Gespräche Jesu, als auch der Verkündigung der Apostel. Nach seiner Himmelfahrt predigten die Apostel den von den Toten auferstandenen Jesus Christus.

Auch das Ende des 20. Kapitels des Johannes-Evangeliums spricht nicht im Sinne der Trinitarier. Johannes müsste doch eigentlich betonen, dass er mit seinem Evangelium ausdrücken will, dass Gott (in Jesus Christus) Mensch wurde. Das behaupten ja auch Trinitarier immer wieder, weswegen Trinitarier dieses Evangelium ja präferieren. Aber Johannes setzt den Fokus auf eine andere Aussage:

Auch viele andere Zeichen hat nun zwar Jesus vor den Jüngern getan, die nicht in diesem Buch geschrieben sind. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen. (Verse 30-31)

Es geht Johannes also gar nicht darum, den „Gott Jesus“, den „dreieinigen Gott“ oder den „inkarnierten Gott“ mit seinem Evangelium zu beschreiben. Es geht ihm darum, dass seine Leser daran glauben, dass Jesus der Gesalbte (Christus) Gottes und Gottes Sohn ist.

Und das wiederum deckt sich mit dem klaren Bekenntnis von Petrus, welches Jesus als Offenbarung des himmlischen Vaters bezeichnet:

Er spricht zu ihnen: Ihr aber, was sagt ihr, wer ich bin? Simon Petrus aber antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Glückselig bist du, Simon, Bar Jona; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht offenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist. (Matthäus 16,15-17)

Was Thomas genau mit seinen Worten „mein Herr und mein Gott“ meinte, ist umstritten. Es gibt natürlich diejenigen, die hier eine klare Aussage „Jesus ist JHWH“ erkennen. Andere wiederum verweisen darauf, dass der Titel „Gott“ auch auf den Messias bezogen wird, wie er auf andere von Gott gesalbte und mit Autorität ausgestattete Menschen bezogen wurde. Eine weitere Ansicht bezieht sich auf den Kontext des Johannes-Evangeliums, in dem Jesus davon spricht, dass man den Vater sieht, wenn man Jesus sieht.

Jesus spricht zu ihm: So lange Zeit bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Und wie sagst du: Zeige uns den Vater? (Johannes 14, 9)

Demnach ist es möglich, dass Thomas hier beide erkennt: Jesus („mein Herr“) und den Vater („mein Gott“). Auch diese Auffassung ist möglich.

Wie es Thomas nun genau meinte, können wir ihn leider nicht persönlich fragen. Aber es ist auch klar, dass ein wahrhaftiger Charakter nicht irgendetwas in den Text hineininterpretiert und dabei den Kontext unter den Tisch fallen lässt.

Wer behauptet, dass durch Johannes 20 Vers 28 bewiesen wird, dass Jesus Gott (JHWH) ist, soll bitte auch so ehrlich sein, dass somit eine Lehre von (mindestens) zwei Göttern verbreitet wird. Denn Jesus selbst ist sicherlich nicht der „Gott“ und „Vater“, von dem er wenige Verse zuvor in der dritten Person spricht, und von dem er selbst nach der Himmelfahrt unterschieden wird – mehrere hundert Mal.

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